Aufmerksam lauschen meine Tanzpartnerin und ich den Anweisungen der Leiterin des Workshops “Meditativer Tanz”. Gerade deutet sie auf die Mitte des Raumes. In einer großen Tonschale befindet sich ein wunderschönes Adventsgesteck mit einer einzelnen Kerze.
Sie erklärt: “Im folgenden Tanz symbolisiert diese Schale mit der Kerze den Stall bei Bethlehem. Der Raum, in dem wir sind, steht für die Orte und Landschaften, durch die Josef mit Maria zieht um nach Bethlehem zu gelangen: unwirtliche Gegenden, staubige Straßen, auf denen viele anderen Menschen unterwegs sind.
Und ihr Paare stellt nun Maria und Josef dar. Jeder von euch kann mal Josef sein, der Maria schützt und führt. Und jeder von euch kann mal Maria sein, die sich von Josef führen lässt. Dafür werde ich das Lied nun zweimal abspielen. Den Schritt zur Musik habt ihr ja eben schon gelernt: Rechts, links, rechts, tipp – links, rechts, links, tipp, …”
Christiane und ich sehen uns an, grinsen. Wir einigen uns darauf, dass ich zuerst Maria bin.
Die Musik beginnt und ich mache mich mit ´meinem Josef` auf die Reise. Sehr schnell merke ich, dass ich das ´mich führen lassen´ nicht besonders mag.
Innerlich seufze ich: “Meine Güte ist das anstrengend!” Es erfordert all meine Konzentration neben der Schrittfolge noch Josefs sanften Druck an der linken Schulter und sein Führen meiner rechten Hand wahrzunehmen und ihm darin zu folgen.
Das Lied zieht sich hin. Und während ich darauf warte, dass dieses unangenehme MICH-FÜHREN-LASSEN vorübergeht, steigt in mir ein Ahnen, ein Staunen, ein emotionales Begreifen auf.
Solange ich zurückdenken kann, sehne ich mich nach Gottes Führung. Denn, so meine Annahme: Wenn ER MICH FÜHRT, bin ich sicher und geborgen. Wenn er mich führt, FÜHLE ICH MICH sicher und geborgen.
Im praktischen Vollzug des Geführtwerdens entdecke ich nun: “Dieses Geführtwerden, wenn ich zwar sehe, aber nicht mitbestimmen darf, FÜHLT SICH JA GAR NICHT SICHER AN! Das ist ja ein hochanstrengendes Geschäft, sich auf den Josef einzulassen und nicht zu wissen, wo er sich im nächsten Augenblick hinwendet!
Erstaunt schüttele ich den Kopf und dann muss ich grinsen: “Eigentlich, eigentlich, ist es mir viel lieber zu führen. Da habe ich die Kontrolle. Da kann ich bestimmen, wo´s lang geht.”
Das Lied läuft immer noch und noch immer folge ich hochkonzentriert meinem Josef. Und dann dämmert mir noch etwas. Ich verstehe nun meine Frustration über Gott, wenn Dinge anders laufen, als ich sie mir vorstelle.
Mein bisheriges Verständnis von Führung war geprägt von einem vertrauensvollem Paartanz, wo Gott der Mann die Führung übernimmt und ich erkenne, um welche Figuren es sich gerade handelt und mich begeistert oder zumindest neugierig darauf einlasse. Wann immer ich ein Seminar leite, ist das so. Ich tanze mit Gott und ich genieße es, zumindest solange, wie ich die Figuren erkenne.
Doch wenn nichts geht, wie ich es plane, wenn sich unerwartet ein Hindernis nach dem anderen aus dem Boden erhebt, wenn aus heiterem Himmel Sturmwinde an Konflikten, Missverständnissen oder geplatzten Träumen über mein Leben brausen, wenn plötzlich eine Unzahl an Entscheidungen getroffen werden muss oder ich aus heiterem Himmel krank werde oder einfach keine Kraft mehr habe – dann habe ich schnell den Eindruck: Gott hat sich zurück gezogen. Er lässt mich allein.
Und nun dämmert mir: Falsch! Ganz falsch! Er führt und wie er führt. Wir sind nur nicht gerade beim Paartanz, sondern beim Folgen, einfach nur folgen und weitergehen. Sich nicht wehren gegen das, was ist. Nicht wissen müssen, wo es hingeht oder wann und wie er mich zum Ziel bringt. Ich darf annehmen, was jetzt ist. Gott führt mich durch die Umstände. Rechts, links, rechts, tipp, …
Seine Hand an meiner Schulter und seine Hand, die meine Hand hält, das können meine jetzigen Umstände sein. Und die müssen sich nicht gut anfühlen. Ja es ist anstrengend. Hochanstrengend, diese Präsenz, dieses Folgen. Seine Hand kann aber auch das leise Flüstern sein: “Geh spazieren. Mach eine Pause.” “Bitte um Hilfe, bitte um Gebet”. “Lass los, lass einfach los, höre auf zu kämpfen. Vertrau mir.”
Der Tanz ist zu Ende. Alle Paare sind sind nun in der Mitte bei der Kerze, beim Stall im Bethlehem angekommen. Es herrscht eine eigenartige Stimmung. Ja, wir sind am Ziel unseres Weges angekommen: am Ort der Freude, da wo Gott sichtbar präsent ist. Doch, was uns alle noch beschäftigt ist, was wir gerade auf dem “Weg nach Bethlehem” erlebt haben.
Dieser einfache Tanzweg zu zweit hat eine Tür in mir geöffnet. Ich spüre, wie ich von Maria lernen will, die sagen konnte: “Ich vertraue dir Gott. Mir geschehe, wie du willst.” Und ich weiß nun: “Mich von Gott führen lassen – das fühlt sich nicht immer gut an. Doch es wird gut. Auf mich wartet Freude und neues Leben.”
Manche Wege, die wir gehen, sind wie Wehen. Sie tun weh, sehr weh sogar. Und manchmal denken wir, sie enden nie oder “ich halte es nicht länger aus”. Dann sind wir mitten darin, Leben zu gebären. Leben, dessen Herz, schon jetzt in uns schlägt. Und Gott hält meine Hand und meine Schulter. Und wenn das neue Leben da ist, ist aller Schmerz vergessen. Dann geben wir es um nichts in der Welt mehr her.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachten und Mut, Vertrauen & Zuversicht für das neue Jahr.
Andrea Kreuzer
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